Auszug aus: ERLANGEN Bier- und Braukultur 2016
Interview mit Petra Paulsen im „ERLANGEN Bier- und Braukultur Magazin 2016“
Für Petra „Willy“ Paulsen ist Bier mehr als ein Mittel zum Zweck, um den Durst zu löschen. Für sie steckt im Gerstensaft ein ganzes Lebensgefühl. Dieses lebt die Hobbybrauerin mehrmals im Jahr selbst aus. Außerdem setzt sie sich als Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung der Fränkischen Braukultur dafür ein, dass das Kulturgut Bier hochgehalten wird und eines nicht in Vergessenheit gerät: Einst war Erlangen das Biermekka schlechthin.
Liebe Frau Paulsen, Sie engagieren sich als Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung der Fränkischen Braukultur für den heimischen Gerstensaft. Woher rührt ihre Liebe zum Bier?
Daran schuld ist letztendlich eine Brauereiführung bei Kitzmann, die ich 1997 über die Erlanger Nachrichten gewonnen habe. Der Rundgang dort und das Gezeigte haben mich sehr beeindruckt. Zuvor hatte ich wenig Ahnung davon, was es heißt, Bier zu brauen. Einzig der Spruch „Hopfen und Malz, Gott erhalts“ war mir geläufig. Ein paar Wochen später habe ich dann zufällig im Angebot der Volkshochschule den Kurs „Bier selbst brauen“ entdeckt. Das war wohl mein Schicksal (lacht). Für mich war unbegreiflich, dass man das, was ich bei der Brauereiführung habe kennenlernen dürfen, auch in den heimischen vier Wänden selbst machen kann. Aus dieser Neugierde heraus habe ich meinen Freund und mich kurzerhand für den Kurs bei Walter Simon angemeldet, der seit mehr als 25 Jahren dem Hobbybrauernachwuchs jeden Alters die Kunst der handwerklichen Bierherstellung beibringt. Dann haben die Dinge ihren Lauf genommen. Das Bierbrauen war letztlich nämlich doch einfacher als gedacht und was noch viel wichtiger ist: Das selbstgebraute Bier hat direkt geschmeckt (lacht). Davon motiviert, sind wir direkt am Ball geblieben. So bin ich zum Bier gekommen.
Das Bierbrauen hat Sie seitdem nicht mehr losgelassen und Sie haben sogar eine eigene Hobbybrau-Gruppe gegründet.
Seither braue ich selbst, das stimmt. Mit einem 20 Liter Einwecktopf haben wir direkt auf dem heimischen Balkon weitergemacht. Wir haben uns dann peu a peu gesteigert: Von einem Schlachtkessel mit einem Fassungsvermögen von 70 Litern, hin zu drei mobilen Kesseln, in denen wir bereits kurze Zeit später gebraut haben. Wir sind mittlerweile eine Gruppe von 15 Freunden, die viermal im Jahr selbst braut. Das ist jedes Mal ein großes Fest. Wir treffen uns bereits morgens in unserem Garten. Wir grillen, trinken ein Fässchen vom letzten Mal, die Kinder sind mit dabei, jeder packt mit an, rührt im Sudkessel. Manche bleiben den ganzen Tag, andere wiederum kommen nur zum Aufräumen. Das Bierbrauen hat also auch eine verbindendende Funktion. Es ist mehr als ein Mittel zum Zweck, um den Durst zu löschen. Im Bier steckt ein ganzes Lebensgefühl. Wir brauen letztlich nur für uns, damit wir beim nächsten Brauen etwas zu trinken haben.
Woher kommt der Name „Vierbräu“, den Ihre Hobbybrau-Gruppe hat?
Der Name ist bereits während des Volkshochschulkurses entstanden. Ich hatte uns damals zu dritt angemeldet, der Kurs war eigentlich bereits ausgebucht, aber Walter Simon hat uns dankenswerterweise doch noch alle drei mit aufgenommen. Nur bestand unsere Braugruppe dann eben aus vier und nicht wie die anderen aus drei Mitgliedern. Damit war klar, wir nennen uns „Vierbräu“. Dieser Name ist geblieben.
Auf was kommt es beim Bierbrauen an?
Mein Credo lautet: „Liebevoll gerührt, schmeckt besser“ Bei uns ist tatsächlich noch alles Handarbeit. Unser erster Läuterbottich bestand aus einem Plastikeimer und einem Stück Fliegengitter. Dieser Herangehensweise sind wir uns treu geblieben. Selbst das Malz schroten wir nach wie vor in Handarbeit. Am Ende schmeckt man genau das, davon bin ich überzeugt. Es ist ein großer Unterschied, ob jemand wirklich am Sudkessel steht und rührt und damit eine Beziehung zu seinem Bier hat oder alles vollautomatisiert vonstattengeht. In den Großbrauereien sitzt der Braumeister vor Computerbildschirmen und bekommt sein Bier meist gar nicht mehr zu Gesicht. In vielen dieser Braufabriken gibt es wahrscheinlich nicht einmal mehr einen Bezug zum Kunden. Das ist es letztlich ja auch, was unsere kleineren Brauereien vor Ort in Erlangen ausmacht. Hier hat man noch eine enge Beziehung zum Bier und zu dessen Liebhabern.
Genau diese Liebe zur heimischen Braukultur kommt auch im Verein zur Förderung der Fränkischen Braukultur zum Ausdruck. Was ist Ihr Anliegen?
Unser Verein ist ein Zusammenschluss von Hobbybraugruppen aus Erlangen und Umgebung, der sich zum Ziel gesetzt hat, sich für die Handwerkskunst des Brauens und das Kulturgut Bier einzusetzen. Schließlich haben wir bei uns vor der Tür in der Fränkischen Schweiz die größte Brauereidichte der Welt und zudem war Erlangen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Bierhauptstadt. „Erlanger“ war weltweit gefragt und ist auch heute noch in vielen Ländern ein Begriff. Durch den Import von Industriebieren aus anderen Gebieten Deutschlands und der Welt ist dieses einzigartige Paradies aber gefährdet. Unsere Brauereivielfalt zu bewahren und in Erlangen wieder aufleben zu lassen, das ist uns ein Anliegen. Wir wollen den Menschen wieder näher bringen was es bedeutet, wirklich Bier zu brauen. In den Bieren aus den großen Brauereikonzernen findet man schließlich nicht mehr viele individuelle Geschmackstoffe. Diesen geht es vorrangig darum, dass das Bier möglichst lange haltbar ist und immer gleich schmeckt, egal ob es den ganzen Tag in der Sonne gestanden hat oder nachts fast gefroren ist. Die Tatsache, dass Bier aber eigentlich ein ausschließliches Naturprodukt ist, das lebt, ist vielen Menschen heute deswegen leider nicht mehr wirklich bewusst. Trotz des Reinheitsgebots, das auf so gut wie allen Flaschen festgehalten ist.
In diesem Jahr feiern wir 500 Jahre Reinheitsgebot. Warum ist dieses für Sie auch heute noch aktuell und nicht altmodisch?
Für mich stellt der Begriff „Bier,“‚ etwas Besonderes dar. Es ist doch immer wieder beeindruckend, dass man aus den wenigen Zutaten Hopfen, Malz, Hefe und Wasser eine solche Vielfalt an verschiedenen Getränken herstellen kann, ohne irgendetwas darüber hinaus hinzuzugeben. Wenn man Bier braut, sollte man auch heute noch diesen Anspruch haben. Denn diese Besonderheit macht das Bier doch letztlich zu dem, was es ist. Das ist sein Wesensgehalt. Wenn jemand experimentieren möchte, bitte. Nur sollte man dann nicht mehr den Anspruch haben, dieses Getränk dann Bier nennen zu wollen.
Ihr Verein wird anlässlich des Jubiläums am 23. April, dem Tag des deutschen Bieres, ein großes Fest auf die Beine stellen. Wie werden Sie das Reinheitsgebot feiern?
Wir wollen den Tag nicht nur nutzen, um das Reinheitsgebot zu feiern. Angesichts der fulminanten Biergeschichte unserer Stadt haben wir uns gedacht, dass es nicht sein kann, diesen Tag einfach an Erlangen vorübergehen zu lassen. Gemeinsam mit den Erlanger Brauereien Kitzmann und Steinbach, sowie der Frauenauracher Klostermälzerei und der wiedergegründeten Weller eG möchten wir Groß und Klein vor Augen führen, wo sie eigentlich sind: an geschichtsträchtiger Stätte, in der Bierstadt Erlangen. Auf dem Schlossplatz werden wir als Verein dafür ein Schaubrauen veranstalten und die Biergeschichte von deren Anfängen darstellen – denn Bier ist eines der ältesten alkoholischen Getränke der Menschheit. Die Brauereien werden natürlich selbst auch ihre Türen öffnen. Unter anderem wird es im Botanischen Garten zudem Interessantes rund um die Hopfenpflanze zu entdecken geben. Das Stadtarchiv wird insbesondere nochmals die Tradition von Erlangen als Bierstadt in den Fokus rücken und die Stadtwerke dürfen natürlich auch nicht fehlen, denn sie liefern mit dem Wasser die Grundlage des Bieres.
Welches Bier trinken Sie selbst am liebsten?
Märzen, das Frauenbier schlechthin und jenes, mit dem ich groß geworden bin (lacht). Übrigens auch das erste Bier, das wir selbst gebraut haben.
To Petra „Willy“ Paulsen beer has always been more than a means to quench one’s thirst. To her beer symbolizes a certain attitude towards life. As a hobby brewer she lives this attitude severaI times per year. She and her group of friends are brewing their own beer four times each year.
And every time it’s a big festival: „We meet up already in the morning in our garden. We grill, drink a barrel from last year and the kids are also joining. Everybody is joining and stirs in the brewing kettles. Some are staying the whole day, some just do the cleaning afterwards”. The brewing also works as a connection between people. Petra discovered her love for beer during a tour at the Kitzmann brewery, which she won in 1997. „The guided tour and the included demonstrations impressed me a lot” she said. Before that experience she did not exactly know what is behind the process of brewing beer. She only knew about the saying „Hopfen und Malz, Gott erhalt’s“ / „ln heaven there is no beer, that is why we drink it here”. OnIy a couple of weeks later, when she found out about the course for brewing beer at the local adult education center she fell for it. „To me it was incredible that everything 1 saw and learned during the tour at the brewery, I can also do at home”, she said.
As a board member at the union for the support of the Franconian brewing culture, Petra Paulsen also promotes the cultural value of beer, and helps not to forget about the fact that once Erlangen was the most famous place concerning beer. On April 23rd, the „Day of the German beers”, the union is planning to have a big festival in Erlangen on occasion of the anniversary of the „Reinheitsgebot“ (purity law): Together with the brewerys in Erlangen we want to show young and old where they are: at a place steeped in history, the city of beer Erlangen.“